Kanada

365 Tage

Reiseblog - Weite Ferne, Kanada

Vor 365 Tagen stand ich in Hamburg am Flughafen. Nervös und ohne die geringste Ahnung, was auf mich zu kommt. 365 Tage sind seit dem vergangen und alles ist anders. Alles. Es ging nach Whitehorse, in Kanadas hohen Norden im Yukon Territory. Jetlag? Den habe ich nicht wirlich gespührt.

Schon eine Idee was auf mich zu kommt? Nicht den geringsten Schimmer. Und es ging auch gleich in die kanadische Pampa, die ich noch so sehr zu schätzen und lieben lernte. Polarlichter, Kälte und eine komplett andere Kultur erwarteten mich dort. Und Stille, eine Stille, die ich seitdem nicht mehr gehört habe und vermisse. Jetzt im Nachhinein, nach 365 Tagen in einem Land, von dem ich ungefähr so viel wusste, wie all die lieben Leute, die mir hier ins Gesicht schauen und erzählen, dass Hitler entkommen ist und in Südamerika gelebt hat, weiss ich, dass es hier doch schon mehr anders ist, als ich dachte.

Das geht bei kleinen Dingen, wie der Klospühlung los und endet bei der Einstellung zu Waffen unterm Autositz(Ja, Don. Ich finde nicht, dass das ein guter Platz ist!) Nach meiner Zeit im Yukon, ging es dann nach Horsefly, British Columbia zu Monika und Stefan, bei denen ich fünf Wochen verbrachte. Fünf Wochen, in denen ich in Kanada ankam und den Frühling willkommen heißen konnte. Und mich Kopfüber in den Horsefly Lake stürzte, um an eigener Hand zu erfahren, dass das Wasser wirklich kalt ist, meinen ersten Bären sah und mein erstes Hühnchen rupfte.

Zurück ging es in den Nord-Westen British Columbias zu Kathryn und Greg bei denen ich eine kurze Zeit verbrachte und zum ersten Mal den kanadischen Frühling erleben konnte. Jetzt, da es bald wieder zeit dafür wird, kann ich es kaum erwarten, das frische Grün wieder zu erleben. Und meinen ersten Waldbrand bekämpfte ich dort und wurde tagtaeglich vom werdenden Entenpapa gejagt.Haida Gwaii. Von all den Orten, die ich in diesem Jahr gesehen habe, ist Haida Gwaii einer meiner Favoriten und wahrscheinlich eine der spontansten Entscheidungen, die ich getroffen habe. Ohne den geringsten Plan oder auch nur einer Idee, wo ich dort schlafe oder wie ich dort hinkomme saß ich am Ferrie Terminal. Und traf Bully und Sebastian und später Jessie, die jetzt eine gute Freundin geworden ist. Dort habe ich dann auch gemerkt, dass man sich einfach ins Abenteuer stürzen muss. Aufhören nachzudenken und einfach leben. Zwei Nächste verbrachten wir dort am Strand. Ohne fliessend Wasser, aber wenigstens mit Plumsklo.

Mit frisch gefischten Fisch(nicht für mich) jeden Abend und Feuer 24/7. Zurück ging es nach Horsefly, das ich kaum wieder erkannte. So viel grün. Meine erste Bärenattacke folgte dort.Als nächstes machte ich mich auf nach Vancouver und verbrachte Zeit mit Jessie. Und erkundete alles zu Fuß. Ich würde sagen, in Vancouver Downtown weiss ich jetzt schon, wie ich wo hinkomme.Mit kurzem Stop in Williams Lake hieß es Bye Bye BC und hallo Alberta! Bei Sandy Kirtzinger verbrachte ich zwei Wochen, in denen ich mit den drei anderen deutschen Mädels Canada Day in Edmonton verbrachte.Thunder Valley Ranch war mein nächster Stop. Dort habe ich mit die längste Zeit an einem Ort verbracht, mein Visum erhalten, bin zwei Mal durch ganz Alberta gefahren und habe mich so alleine wie noch nie gefühlt. So viele Tränen habe ich dort vergossen, dass ich mich wundere, wie dort kein kleiner See zurück geblieben ist. Aber Zeit heilt alle Wunden. Oder Banff. Mitten in den Rockies habe ich mich in einen Ort verliebt.

In den Sommer, der so unerwartet heiß war, in mein Zelt, das mein zu Hause war und in das Gefühl, frei zu sein. In Banff habe ich zum ersten Mal begriffen, dass ich selber dafür verantwortlich bin, wie es mir geht und wie ich meine Zeit hier verbringe. Backcountry Hiken und Campen im Mount Robson Provincial Park wird definitiv als eines meiner besten Erlebnisse hier bleiben.Und auf nach Saskatchewan, wo ich unerwartet eine Familie kennenlernte, die mir so sehr ans Herz wuchs, lernte, einen Mähdrescher zu bedienen und Country Musik verfluchte(Ich erwischte mich vor ein paar Wochen, wie ich nostalgisch Countrysongs mitsang)Mit Stop in Sault Ste. Marie ging es zwei Mal kreuz und quer durch zwei Zeitzonen nach Manitoba, wo ich an Thanksgiving Hühner rupfte und ausnahm und mich entschied, nach Whistler zu gehen. Zurück durchs halbe Land, auf der Suche nach was? Jetzt im Nachhinein, frage ich mich manchmal, was mich dazu führte, hier her zu kommen. In den wahrscheinlich teuersten Ort Kanadas in dem jeder denkt, er hätte es zu Mittelpunkt des Universums gemacht. Und doch ist es hier langsam zu einem zu Hause geworden.

Ich habe eine Job, der mir überwiegend Spass bringt, einen anderen Job, den ich,warum nochmal habe?, lerne zu Snowboarden und weiß jetzt, dass ich auch ohne Schlaf 52 Stunden am Stück arbeiten kann. Juhu!Hier bin ich nun, in Whistler und bei dem Gedanken, dass ich drei Monate von dem Moment, in dem ich hier aufbreche, ausreisen werde, wird mir ganz anders zu Mute. Hätte ich die Wahl, würde ich Kanada nicht mehr verlassen. Ich vermisse meine Familie und meine Freunde zu Hause, zu Hause?, und trotzdem überkommt mich eine große Traurigkeit, wenn ich daran denke, dass ich Kanada verlassen muss.Alles hat sich geändert seitdem ich hier bin. Meine Pläne, Medizin zu studieren sind verschoben und ich überlege schon, welches Land ich als nächstes bereisen möchte. Ich habe nicht mehr das Gefühl, dass zu Hause, wo ist zu Hause?, sein und dort bleiben ein Leben ist, das ich führen möchte.

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So wenig weiß ich über die Welt und über mich selbst. Der Frühling kommt hier immer näher und auch mein Abreisedatum aus Whistler. Alleine verlasse ich Whistler nicht und ich kann es kaum erwarten. Ich kann es nicht erwarten, wieder frei zu sein und jeden Tag so zu leben, wie es mir gefällt. Ich kann es nicht erwarten, wieder neue Orte zu sehen und Dinge zu erleben, die ich noch nie erlebt habe.365 Tage sind vergangen seitdem ich Deutschland verlassen habe und an keinem einzigen habe ich es bereut. An keinem einzigen wollte ich zurück.Die restlichen 120 erscheinen viel zu kurz. So viel Kanada liegt noch vor mir. So viel unerlebtes, so viel, das erlebt werden will.365 Tage habe ich hier verbrachte. Weiß ich inzwischen, was auf mich zukommt?