Chile

Verloren

Reiseblog - Weite Ferne, Kanada

Inzwischen versuche ich seit Monaten schon, einen abschließenden Beitrag über Chile zu schreiben. Und doch starre ich immer wieder auf eine blanke Seite. Es ist, als waeren mir die Worte ausgegangen. Ich kann nicht beschreiben, was mich dazu verleitet hat, meine Reise zu beenden. Ich kann auch nicht beschreiben, was in mir vorgeht. Die Worte wollen einfach nicht kommen. Wahrscheinlich, weil ich mich verloren fühle. Ich weiss nicht mehr, wo ich bin. Ich weiss nicht mehr, wo mein Platz ist.

Jedes Mal, wenn ich mich an diesen Eintrag setze, weiß ich spätestens ab diesem Punkt nicht mehr, was ich noch sagen soll. Ich drehe mich im Kreis. Das nennt man wohl Schreibblockade. Oder Lebensblockade? Denkblockade? Einfach eine dicke fette Blockade, die sich breit gemacht hat in meinem Leben und, ha wer hätte das gedacht, blockiert.

Die letzten Tage bin ich alle meine Fotos aus Kanada durchgegangen. Und ich gucke mir die Bilder an und frage mich, wo ist dieses Mädchen von den Bildern? Wo bin ich?

 

Wo. Bin. Ich?

 

Es fällt mir schwer, mich wieder in Deutschland einzuleben. Beziehungsweise ich habe das Gefuehl, ich habe mich gar nicht mehr eingelebt, seitdem ich das erste Mal aus Kanada zurück gekommen bin. Ich bin wenige Woche nach meiner Rückkehr vollzeit in meinen Job auf dem Milchviehbetrieb eingestiegen, habe dort auf dem Hof gelebt, war nur jedes zweite Wochenende zu Hause und habe eigentlich die ganze Zeit darüber nachgedacht, wo kann ich als nächstes hin. Wollte am liebsten meinen Rucksack packen und verschwinden.

Damals habe ich gedacht, die Lösung, ist einfach wieder loszuziehen. Dann wird es mir wieder toll gehen, ich wäre wieder glücklich und alles so, wie es in Kanada gewesen war.

Also habe ich mir Chile als nächstes Ziel ausgesucht. Sechs Monate oder länger wollte ich dort bleiben. Vorher einen kurzen Stop in Kanada machen und dann los.

Die letzten Wochen zu Hause waren der pure Stress. Meine Familie ist umgezogen. Das zu Hause meiner Kindheit wurde in Kisten verpackt, ins Auto geladen und ans andere Ende Deutschlands gebracht. Und dazwischen versuchte ich, mich auf Chile vorzubereiten. Und plötzlich stand ich am Flughafen und wusste, mein zu Hause gibt es so nicht mehr. Als ich ins Flugzeug stieg, habe ich mich von meinem zu Hause verabschiedet und damit abgeschlossen. Das ist mir bewusst geworden, als ich nach sechs Monaten wieder in meiner Heimatstadt stand und mich gefragt habe, was tue ich hier?

Wo ist mein zu Hause? Diese Frage hat mich in Chile viel beschäftigt. Ich hatte es sehr schwer dort, war nicht wirklich glücklich, wollte nach Hause und doch wusste ich nicht, wo dieses zu Hause eigentlich ist.

Aber mir war ziemlich schnell klar, dass das Reisen, so wie ich es in diesem Moment tat, nicht das richtige war. Ich hatte keine Lust mehr. Die Freude, die ich in Kanada verspürt hatte, war nicht mehr da. Und ich fing an mich zu fragen, warum. Ich habe noch immer keine Antwort, aber ich habe es nicht eine Sekunde bereut, mich ins Flugzeug gesessen zu haben und zurueck nach Kanada geflogen zu sein.

Auch wenn meine Reise nach Chile nicht das war, was ich mir erhofft habe, ist mir in meiner Zeit dort viel klar geworden. Ich habe gemerkt, dass ich mich etwas verloren fühle im Moment. Ich fühle mich inzwischen mehr in Kanada zu Hause und doch werde ich die nächsten Jahre in Deutschland zur Uni gehen und hauptsächlich hier leben. Und so sehr ich mir wünsche, ich könnte morgen zurück nach Kanada ziehen, ist das keine Option im Moment.  Bevor ich in Chile gewesen bin, war mir der Wunsch, mein Leben in Kanada zu leben nicht bewusst gewesen. Ich habe gemerkt, dass mir etwas fehlt und konnte doch nicht sagen was. So hat mir Chile nicht das erbracht, was ich mir von der Reise erhoffte und doch habe ich genau das gefunden, wonach ich gesucht habe. Mein zu Hause.